Anastasia Stele und Christian Grey


Worum geht es?

Kein Mensch, der noch alle beieinander hat, würde sich auf so was einlassen.“ Oder doch?

Die 21jährige Studentin Anastasia ist noch Jungfrau, als sie dem reichen, gut aussehenden Christian begegnet, der mit 27 Jahren schon Multimillionär ist und ein Firmenimperium leitet. Doch je näher Ana Christian kommt desto mehr entdeckt sie, dass Christians Art, Sex zu haben, SM Praktiken sind. Ana zögert; sie weiß nicht, ob sie sich auf Christian einlassen soll. Doch langsam gewinnt Christian Anas Vertrauen und führt sie in die Welt ein, die heute mit BDSM bezeichnet wird.

Ana entdeckt in seinem Spielzimmer schimmernde Ketten und Handschellen, einen Flogger, Paddles und ein Kreuz. Christian ist dominant, er behält über alles die Kontrolle. Seine Partnerin soll devot sein und ihm Vergnügen bereiten. Von dieser Rolle ist Ana zu Beginn der Geschichte weit entfernt. „Vielleicht bin ich schüchtern, aber ist das schon devot?“, fragt sie sich selbst.

Sie möchte Christian zum Sex aus Liebe drängen. Dabei erfährt sie, welche Demütigungen Christian als kleiner Junge widerfahren sind, die ihn schließlich in seine SM Welt gebracht haben, in der es scheinbar keine Liebe gibt. Ana drängt auf Liebe und erreicht, dass Christian mehr möchte als bloße Dominanz. Ob die beiden ein Paar werden, bleibt offen.

In shades of grey jagt ein Orgasmus den nächsten: Im Bootshaus, auf dem Schreibtisch, von der Decke hängend, in der Badewanne und natürlich vor allem auf der mit roten Leder bezogenen Matratze des Spielzimmers. Zögernd streckt Ana die Hand nach dem Flogger aus, der aus kleinen weichen Wildlederriemen mit kleinen Perlen am Ende besteht. Dann lässt Christian den Flogger auf ihre Hüften knallen, gefolgt von kurzen Schlägen über ihr Schamhaar und ihre Schenkel. So werden wir in BDSM eingeführt.


Was hat das Liebespaar so bekannt werden lassen?

Im Jahre 2011 veröffentlicht Erika Leonard unter dem Pseudonym „E.L.James“ die Trilogie „Fifty shades of grey“. Die Anleihen der Charaktere der beiden Hauptfiguren Christian und Ana kommen aus der Twilight Saga. Ihre Reinheit und Perfektion sind darin entlehnt.

Doch E.L. James schiebt diese Figuren in den BDSM Bereich. Es geht um Fesseln, Schlagen, Züchtigung und Peitschen. Es geht um hartes Ficken, von hinten und von vorne, aber auch um Lust am Orgasmus, um Entjungferung und um erste sexuelle Lusterfahrungen. Es geht um den ewigen Kampf zwischen Widerstehen und Hingabe. Es geht beim Sex um das Chaos der Gedanken und das Empfinden der körperlichen Lust an der Schmerzgrenze. „Ich hatte bisher keine Ahnung, wozu mein Körper fähig ist“, sagt Ana.

Ich will, dass Du wund bist von mir. Morgen sollst Du Dich bei jeder Bewegung an mich erinnern.“, sagt Christian.

Die Gegner von E.L.James haben das Buch schnell als Schmuddellektüre abgetan, doch in Deutschland wird es über 5,6 Millionen mal verkauft, weltweit sind es über 100 Millionen Bücher. Da muss was dran sein. Sex sells, das ist kein Geheimnis, aber es ist nicht bloßer Sex. Die Autorin verschiebt mit shades of grey eine Grenze. BDSM ist vor shades of grey immer noch eine Tabuzone, über die man nicht spricht. Es ist etwas für Minderheiten, für Menschen, die nicht normalen Sex haben. Nach diesem Buch wird BDSM gesellschaftsfähig und anerkannt. Handschellen und Fesseln halten in Schlafzimmern Einzug. Lust- und Schmerzerfahrungen beim Sex werden zusammen gebracht und nicht mehr auseinander dividiert. Neue Grenzerfahrungen werden ausgelotet.

Im Buch geht es um die Frage, ob Beziehung ohne Liebe und nur mit purem Sex auskommt. Die israelische Kultursoziologin Eva Illouz sieht den Erfolg von shades of grey darin begründet, dass heute Beziehungen zwischen Mann und Frau immer mehr Vertragscharakter bekommen. Aufgaben und Nutzen sind in Partnerschaften klar geregelt. Doch trotz oder wegen dieser Rationalität und Entzauberung von Beziehungen werden die sexuellen Rollen von Mann und Frau immer unklarer. In dieser Unsicherheit schaffen die einfachen und eindeutigen Rollenverhältnisse von Dom und Sub Sicherheit und Klarheit.


Welcher Frauentyp, welcher Männertyp kommt hier vor?

Christian ist ein Traummann, gut durchtrainiert und mit einem perfekten Körper ausgestattet. Als wäre es nicht genug, kann er auch Klavier spielen und natürlich fliegt er seinen Hubschrauber selber. Er ist höflich, reich, konzentriert und elegant und in dieser Kombination bekommt jede Frau vor so einem Mann weiche Knie. Den Adonis gibt es schon im alten Griechenland, nur war er dort vielleicht nicht ganz so perfekt wie in E.L.James Roman. Christian ist die Weiterentwicklung eines James Bond, der als typischer Macho Ende des 20. Jahrhunderts bei Bedarf auch zärtlich sein kann. Doch Softies sind in Zeiten von shades of grey megaout. Christian sagt lapidar: „Romantik liegt mir nicht, mein Geschmack ist speziell.“

Ana ist eine normale Studentin, bevor sie Christian kennenlernt. Sie schminkt sich sehr selten, von Freunden und ihrer Familie wird sie als natürliche Schönheit betrachtet. Doch natürliche Schönheit reicht nicht um der Frauenrolle in Shades of grey gerecht zu werden.

In Christians Vertrag ist ein Rollenbild der Frau gezeichnet, das scheinbar diametral dem Bild einer selbst bestimmten, emanzipierten Frau entgegensteht.

Die Sub trägt Kleidung, die dem Dom gefällt, sie ernährt sich gesund, ist körperlich fit und zu allen Zeiten sauber, rasiert und gewaxt. Sie schläft mit dem Dom bereitwillig und ohne Zögern und unterhält keine sexuellen Beziehungen mit anderen als mit ihm.“

Da kommt ganz schön was zu auf die Frau von heute. Eine sportliche trainierte, jederzeit gepflegte, modern gekleidete Frau ist nicht von allein nicht zu schaffen. Der Zeitgeist formt da - unterstützt durch die Medien - ein neues Schönheitsideal, das zum einen durch Sportlichkeit geprägt ist, zum anderen will eine Frau heute auch sexuell Neues und mehr als früher erleben. Tabuzonen werden eingerissen, es darf über alles frei geredet, aber eben nicht nur geredet sondern auch ausprobiert werden.


Eine berühmte Szene oder ein Zitat?

Come, let’s go to bed, I owe you an orgasm“. Noch in der Badewanne sagte Christian zu ihr: „Komm, lass uns ins Bett gehen, ich schulde dir einen Orgasmus“. Während Anas Reaktion angesichts Christians jederzeitiger Potenz darauf ist „Orgasmus. Noch einer?!“, mag sich so manche Frau denken, dass ihr Mann das ruhig auch mal öfters sagen könnte. „Ich schulde Dir noch einen Orgasmus!“