Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre


Worum geht es?

Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“, sagt Simone de Beauvoir. 1908 geboren, steht ihr Elternhaus im ehemals großbürgerlichen Pariser Boulevard Raspail. Ihr Vater ist ein gebildeter Nationalist und es ist selbstverständlich, dass de Beauvoir in einem katholischen Mädcheninstitut erzogen wird. Doch im intellektuellen Umfeld auch ihrer Eltern entwickelt de Beauvoir einen Widerstand gegen den vorgezeigten Weg des braven Mädchens. Als sich auf der katholischen Schule nicht mehr verbergen lässt, dass sie atheistisch denkt, wird sie als ein Opfer des Teufels betrachtet. Später in ihrem Memoiren schreibt sie über den Konflikt zwischen religiösem und existentiellem Denken: „Ich hatte immer gedacht, dass im Vergleich zur Ewigkeit diese Welt nicht zählte, doch stattdessen wog auf einmal Gott nicht mehr schwer genug.“

1929 will sie Gymnasiallehrerin werden und lernt bei den Vorbereitungen zu der sehr schweren Aufnahmeprüfung einen Mann kennen, der bei ersten Mal durchgefallen war, weil er zu revolutionäre Ideen geäußert hatte. Jean Paul Sartre ist ein Spätentwickler, er hat kaum Kontakte außerhalb seiner Familie, in der er das einzige Kind ist. Dann lässt sich die Mutter scheiden und zieht mit ihm um, worunter er sehr leidet. In seiner neuen Klasse stiehlt er Geld aus der elterlichen Haushaltskasse. Von dem Geld kauft er Süßigkeiten für seine Klassenkameraden, um sich bei ihnen beliebt zu machen.

Schon als Junge leidet er an einer Linsentrübung im rechten Auge, das nach und nach erblindet und nach außen wandert, so dass er mit der Zeit immer stärker schielt. Die dicke Brille wird später zum Markenzeichen Sartres.

1943 schreibt Sartre das Buch ‚Das Sein und das Nichts’, es wird das Hauptwerk der von ihm geschaffenen Philosophie des Existenzialismus. War bisher die Bedeutung des Menschen als Wesen der Vernunft oder als Geschöpf Gottes sozusagen vorbestimmt, definiert Sartre, dass jeder Mensch durch seine Geburt in die Existenz „geworfen“ wird und von nun an selbst versuchen muss, aktiv dem Leben einen Sinn zu geben – sozusagen ohne eine Mitgift aus seiner Bestimmung.

Nicht wenige meinen De Beauvoir hat diesen philosophischen Existenzialismus in den Figuren ihrer Romane vorgedacht. 1942 lässt sie in ihrem Roman „Sie kam und blieb“ ihre Hauptfigur sagen „Ich bin da, mein Herz schlägt.“ De Beauvoirs beschreibt in ihren Romanen ein Bild, in dem der Mann als Subjekt gilt, die Frau der Rolle der anderen, dem Objekt, zugewiesen wird. Will die Frau ihre Weiblichkeit für einen Mann leben, steht dies im Gegensatz zu einem selbst bestimmten aktiven Leben. De Beauvoir sagt: „Die Zukunft kann nur zu einer immer tiefer greifenden Integration der Frau in die einst männliche Gesellschaft führen.“ Sie gilt heute als die Wegbereiterin des Feminismus ihrer Zeit.

1964 wird Sartre der Nobelpreis für Literatur zuerkannt, aber er lehnt ihn aus „persönlichen und objektiven" Gründen ab. Das Nobelkommitee erklärt aber seine Entscheidung als unwiderruflich. Sartre, der unentwegt an der Pfeife saugt, raucht, Unmengen Scotch und Rotwein trinkt, abwechselnd Barbiturate und Amphetamine schluckt, hört hinter seiner dicken Brille nie auf zu denken. Er stirbt 1980 in Paris, 6 Jahre später stirbt de Beauvoir, die neben ihm auf dem Pariser Friedhof Montparnasse beigesetzt wird.


Was hat das Liebespaar so bekannt werden lassen?

In der berühmten Aufnahmeprüfung zur ENS, der École normale supérieure, einer der besten Universitäten Europas, belegen Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir die Plätze 1 und 2. Von diesem Erfolg beflügelt treffen sich Jean Paul und Simone nun beinahe jeden Tag entweder im Jardin Luxembourg oder im Cafe du Drome, um ihre Standpunkte einander auszutauschen oder über ihre Beziehung, ihr Leben, ihre Pläne zu reden. Sartre bietet de Beauvoir an sie zu heiraten, doch sie lehnt die Ehe als „beschränkende Verbürgerlichung“ ab. Dann schließen sie einen Pakt: Sie lehnen die Monogamie ab, wollen nicht auf erotische Beziehungen mit anderen verzichten, nehmen sich aber vor, für die Dauer von zwei Jahren keinen Gebrauch von ihrer sexuellen Freiheit zu machen und in dieser Zeit so eng wie möglich zusammenzuleben, ohne unter dem gleichen Dach zu wohnen. Außerdem versprechen sie, einander weder zu belügen, noch voreinander etwas zu verbergen.

Sartre und de Beauvoir sind einander intellektuell verbunden. Es ist die Basis ihrer Beziehung. Sie lieben ihre Berufung als Schriftsteller und befruchten sich gegenseitig. Aber es bleibt nicht auf der intellektuellen Ebene. Dennoch werden sie Zeit ihres Lebens „Sie’ zueinander sagen. Sartre hat zahlreiche Affären. Auch de Beauvoir lebt fünf Jahre lang mit dem Schriftsteller Nelson Algren zusammen, später noch sechs Jahre mit dem 18 Jahre jüngeren Journalist Claude Lanzmann.

Dennoch gibt es auch Eifersucht de Beauvoirs auf Sartre zumindest zu Beginn. Eine leidenschaftliche Affäre mit einer Michelle macht Simone zu schaffen, als sie ihn schließlich fragt: "Auf wen legst du größeren Wert, auf Michelle oder auf mich?"

De Beauvoir macht auch sexuelle Erfahrungen mit jungen Frauen, die sich leidenschaftlich in ihre Philosophielehrerin verliebten, diese "unerhört schöne und intelligente junge Frau", die so ganz anders war als die alten Professoren. Im Interview sagt sie einmal „Frauen sollten sich nicht länger ausschließlich auf das Begehren der Männer hin konditionieren lassen. Und überhaupt denke ich, dass schon heute jede Frau ein bisschen homosexuell ist. Ganz einfach, weil Frauen begehrenswerter sind als Männer.“

In de Beauvoirs Memoiren gibt es für Sarte und sie selbst "genug Platz für amouröse Kameraderien und flüchtige Romanzen". Doch brachen "Konflikte aus, wenn einer der beiden Partner mehr wollte". Und: "Wenn meine Verbindung mit Sartre seit 30 Jahren besteht, so geschieht das nicht ohne Verluste und Brüche, deren Rechnung die anderen zu bezahlen hatten."

Ab 1973 ist Sartre praktisch blind und nicht mehr in der Lage zu schreiben. Trotzdem versucht er weiter präsent zu sein, unter anderem mit Interviews und gelegentlichen öffentlichen Auftritten. Er ist er eine bekannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, als er 1980 stirbt. Sein Tod wird weltweit wahrgenommen und bei seiner Beerdigung in Paris folgen 50.000 Menschen dem Sarg.


Welcher Frauentyp, welcher Männertyp kommt hier vor?

Zwei Intellektuelle lassen ein ganzes Leben nicht von einander los.

Immer wieder unterbrechen diverse Affären von beiden Seiten die Beziehung beider zu einander. Die Beziehung beginnt, als de Beauvoir 21 Jahre alt ist und endet 1980 mit dem Tod Sartres, da ist sie 72 Jahre.

Welche verborgene Anziehungskraft muss in dieser Beziehung liegen, dass sie so viele Affären und Brüche übersteht?

Sartre begeistert durch seinen analytischen Verstand und seine Wortkunst. Sie liebt ihn, doch sie verfällt ihm nicht. Sie bleibt stets als eigene Frau auch auf der Suche nach ihrem eigenen Glück. Damit ist sie sicher die Wegbereiterin einer emanzipierten Frau.


Eine berühmte Szene oder ein Zitat?

Simone de Beauvoir beschreibt als untrüglichsten Erfolg ihres Lebens ihre Beziehungen zu Sartre. "In dreißig Jahren haben wir uns keinmal, unversöhnt schlafen gelegt." Und: "Wir erfassen die Welt mit den gleichen Schlüsseln, und oft beendet einer einen Satz, den der andere begonnen hat."